Ehegattenunterhalt
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Wie bereits unter dem Menüpunkt "Scheidung" beschrieben, unterscheidet man beim Ehegattenunterhalt zwischen dem Trennungsunterhalt und dem nachehelichen Unterhalt. Die zeitliche Grenze liegt in der Rechtskraft der Scheidung. Vorher heißt der Unterhalt also Trennungsunterhalt und ab Rechtskraft der Scheidung nachehelicher Unterhalt.
Auf dieser Seite bespreche ich nur, in welcher Lebenssituation überhaupt Ehegattenunterhalt in Frage kommt. Wie der Unterhalt berechnet wird und ab wann er überhaupt zu zahlen ist, erfahren Sie unter dem Menüpunkt "Unterhaltsberechnung Ehegatte". Welches Einkommen zum Unterhalt herangezogen wird, erfahren Sie unter dem Menüpunkt "unterhaltsrelevantes Einkommen" . Auch an dieser Stelle möchte ich noch einmal betonen, daß ich hier nur die Grundzüge darstelle. Jeder Fall ist anders, von den Gerichten wird immer der Einzelfall betrachtet und von jeder Regel gibt es auch Ausnahmen. Gerade im Unterhaltsrecht empfiehlt sich eine anwaltliche Rechtsberatung durch einen Rechtsanwalt, der auf Unterhaltsrecht spezialisiert ist.
I.Trennungsunterhalt:
Die Faustregel lautet, der Trennungsunterhalt beträgt 45 % (vor dem Jahr 2022 lag die Quote bei 3/7) der Differenz der Einkommen beider Ehegatten. Damit ist sowohl die Konstellation erfaßt, daß beide Ehepartner arbeiten, aber unterschiedlich verdienen als auch die typische Hausfrauenehe, wo nur ein Ehegatte gearbeitet hat und der andere kein eigenes Einkommen hatte. Damit ist auch klar, daß, wenn beide Ehepartner gleich verdienen und es sonst keine weiteren Einkünfte (dazu zählt auch mietfreies Wohnen) oder Abzugsposten gibt, kein Anspruch auf Trennungsunterhalt besteht.
Wann muß überhaupt Trennungsunterhalt gezahlt werden und wie lange?
Entscheidend sind die ehelichen Lebensverhältnisse. War die Ehe also geprägt durch unterschiedliche Einkommen der Ehegatten, so gewährt man dem weniger verdienenden Ehepartner zumindest für ein Jahr einen Anspruch auf Trennungsunterhalt, damit er sich auf die veränderten Verhältnisse einstellen kann. Je länger die Ehe gedauert hat und desto besser die wirtschaftlichen Verhältnisse sind, desto eher kann dieses Jahr ausgedehnt werden. Der Anspruch auf Trennungsunterhalt kann aber auch wesentlich länger andauern, wenn z.B. die weniger verdienende Ehefrau Kinder betreut, soweit sie noch betreuungsbedürftig sind, und die Ehefrau deswegen noch nicht voll arbeiten kann. Oder wenn ein Ehegatte krank ist oder sich noch in Ausbildung befindet. Grundsätzlich gilt auch hier schon das Eigenverantwortungsprinzip. Der Ehepartner, der kein eigenes oder geringeres Einkommen hat, muß im Rahmen des Zumutbaren alles dafür tun, um finanziell auf eigene Füße zu kommen. Wenn er also bisher nur 30 Stunden gearbeitet hat und deswegen ein geringeres Einkommen hatte, muß er spätestens nach einem Jahr seine Tätigkeit auf eine Vollzeittätigkeit aufstocken, soweit es unter dem Gesichtspunkt der Kinderbetreuung, Alter etc. zumutbar ist (OLG Hamm FamRZ 2013, 959). Wenn der Ehegatte allerdings einen sogenannten ehebedingten Nachteil durch die Ehe erlitten hat, Paradebeispiel hier: Die Ehefrau war zuletzt vor der Ehe, was schon 25 Jahre zurückliegt, erwerbstätig und ihren damaligen Beruf gibt es wegen der technischen Entwicklung nicht mehr, eine neue Erwerbstätigkeit findet sie aufgrund ihres Alters nicht mehr, dann kann es sein, daß die Ehefrau tatsächlich nicht mehr verpflichtet ist, zu arbeiten, und kann sich auf den Unterhaltsanspruch gegen ihren gut verdienenden Ehemann berufen. Bei kurzer Ehedauer (in der Regel unter zwei Jahren) muß der Ehegatte, der Unterhalt beansprucht, sich schon vor Ablauf des Trennungsjahres um ein eigenes ausreichendes Einkommen bemühen, sofern er nicht die Kinder betreut.
Was ist, wenn ich in meinem Beruf gar nicht so ein hohes Einkommen erzielen kann, wie mein Ehepartner, kann ich dann dauerhaft Unterhalt verlangen?
Wenn also die Krankenschwester den Chefarzt geheiratet hat oder der Bauarbeiter die Richterin, dann liegt allein durch den Berufsstand in der Regel schon ein Einkommensgefälle vor. Auch dieses Einkommensgefälle wird durch Anspruch auf Ehegattenunterhalt ausgeglichen und nennt sich beim nachehelichen Unterhalt Aufstockungsunterhalt. Beim Trennungsunterhalt spielen die Regeln zum Aufstockungsunterhalt, insbesondere wie lange dieser Unterhalt eigentlich gezahlt werden muß, noch nicht so eine große Rolle, weil der Trennungsunterhalt ja spätestens mit dem Tag des Eintritts der Rechtskraft der Scheidung endet. Allerdings gibt es auch Fälle, wo das Scheidungsverfahren sehr lange dauert, weil die Parteien noch um Zugewinnausgleich o.ä. streiten. Oder es gibt Fälle, wo die Ehepartner sich noch nicht scheiden lassen wollen, aus welchen Gründen auch immer. Dann gilt der Grundsatz: Je länger die Trennungszeit andauert, desto eher sind auf den Trennungsunterhalt auch die Regeln des nachehelichen Unterhaltes anzuwenden und somit auch die Regeln des Aufstockungsunterhaltes, die ich unten erläutere.
II.Nachehelicher Unterhalt
Der nacheheliche Unterhalt setzt voraus, daß ein bestimmter Grund vorliegt, weswegen einer der ehemaligen Ehegatten sich noch nicht allein unterhalten kann.
Dieser Grund kann liegen in Betreuung der Kinder, Alter, Krankheit oder Gebrechen, Arbeitslosigkeit, Aufstockungsunterhalt, Wegfall einer nicht nachhaltig gesicherten Tätigkeit, Ausbildung bzw. Billigkeitsunterhalt. Die einzelnen Gründe werden im Folgenden kurz erläurtert:
Betreuung der Kinder § 1570 BGB:
Der Anspruch auf Betreuungsunterhalt besteht nach der Scheidung anders als beim Trennungsunterhalt, nur bei gemeinsamen Kindern. In den ersten drei Lebensjahren eines Kindes ist der geschiedene Ehegatte, meistens ja die geschiedene Ehefrau, nicht verpflichtet, zu arbeiten, wenn sie das Kind betreut. Arbeitet sie allerdings trotz Kinderbetreuung schon während der Ehe ganztags, muß sie diese Tätigkeit auch nach der Trennung/ Scheidung fortsetzen, sofern nicht andere Gründe dazu kommen, daß sie die Ganztagstätigkeit nicht mehr ausüben kann.
Ein Beispiel wäre hierfür, sie hat im Schichtwechsel immer abends gearbeitet, das geht nun nicht mehr, weil sie jetzt mit dem Kind allein ist, ein Babysitter ist zu teuer und der Arbeitgeber bietet keine Ganztagstätigkeit an für die Zeit, in der sich das Kind im Kindergarten befindet.
Ab dem 3. Geburtstag des Kindes ist der betreuende geschiedene Ehegatte verpflichtet, zu arbeiten, allerdings wird auch hier nicht sofort ein Übergang zur Vollzeittätigkeit verlangt, sondern es wird im Einzelfall entschieden, inwieweit überhaupt schon eine Erwerbstätigkeit zumutbar ist, ob gleich eine Vollzeit-, Halbtags -oder Dreivierteltätigkeit. Kriterien dafür werden in den unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Oberlandesgerichte, z.B. vom Kammergericht Berlin, genannt wie folgt:
Kindbezogene Gründe:
Anzahl und Alter des bzw. der zu betreuenden Kinder;
individuelle Besonderheiten oder Veranlagungen des Kindes
konkrete örtliche Betreuungssituation:Kapazität‚Verfügbarkeit, Qualität
Verlässlichkeit der Betreuungseinrichtung
Zumutbarkeit der Betreuungseinrichtung für das Kind;
bislang praktiziertes Betreuungsmodell;
Gewährung angemessener, mit dem Kindeswohl im Einklang stehender Übergangsfristen bzw. abgestufter Übergänge bei Veränderungen in der Betreuungssituation
Elternbezogene Gründe:
bislang praktizierte Rollen und Aufgabenverteilung in Bezug auf die Kinderbetreuung unter Berücksichtigung auch der Dauer der Ehe bzw. Partnerschaft der Eltern;
einvernehmlich getroffene Absprachen und gemeinsame Vorstellungen hinsichtlich der Kinderbetreuung unter Berücksichtigung der infolge der Trennung notwendig gewordenen Veränderungen;Vermeidung überobligatorischer Belastungen durch eine Erwerbstätigkeit
neben der Kinderbetreuung;finanzielle Zumutbarkeit der Betreuungseinrichtung;
Gewährung angemessener Übergangsphasen bei einem Wechsel des Betreuungsmodells unter Berücksichtigung des Vertrauens
Gerichturteile hierzu:
Kammergericht Berlin FamRZ 2009, 981: Ein 8 jähriges Kind muß nicht ganztägig fremdbetreut werden (z.B. im Hort nach der Schule).
Kammergericht Berlin FamRZ 2009, 336: Auch bei bestehender Möglichkeit der Volltagsbetreuung durch staatliche Stellen keine Verpflichtung zur Vollzeittätigkeit, wenn das Kind sich in den ersten Grundschuljahren befindet.
OLG Karlsruhe MDR 2009, 512: Eine 30 Wochenstunden Tätigkeit ist zumutbar bei Betreuung eines 11 jährigen Kindes.
Der BGH hat in seinem Urteil vom 18.4.2012, XII ZR 65/10 lediglich eine 30 Stunden Tätigkeit für zumutbar gehalten bei Betreuung von drei minderjährigen Kindern (bei Rechtskraft der Scheidung 12, 15 und 17 Jahre alt), weil die Freizeitaktivitäten der Kinder, die mit viel Organisation und Hin - und Herfahren verbunden waren, und dies auch schon während der Ehe so praktiziert wurde, sowie die Hausaufgabenbetreuung des 12 jährigen Kindes nicht mit einer Vollzeittätigkeit der Kindesmutter vereinbar waren.
OLG Köln NJW 2008, 2659: Vollzeittätigkeit zumutbar bei 11 und 8 Jahre altem Kind.
Unterhalt wegen Alters § 1571 BGB
Unterhalt wegen Alters kann der geschiedene Ehegatte verlangen, wenn wegen seines Alters bei Scheidung, Beendigung der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, bei Wegfall der Voraussetzungen eines Unterhaltsanspruchs wegen Krankheit oder Gebrechen oder wegen Arbeitslosigkeit und Aufstockungsunterhalt eine Erwerbstätigkeit von ihm nicht mehr erwartet werden kann.
Maßgebend ist hier grundsätzlich die Regelaltersgrenze, nicht der Vorruhestand. Es git auch keinen allgemeiner Erfahrungssatz, daß man, wenn man 50+ Jahre alt ist, sowieso keine Arbeit mehr findet. Es kommt immer auf die Umstände im Einzelfall an.
Die Unterhaltsbedürftigkeit muß nicht ehebedingt sein. Ehebedingt heißt, der unterhaltsbedürftige Ehegatte wäre ohne die Ehe nicht unterhaltsbedürftig. Das ist hier gerade nicht die Voraussetzung. Ab Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze spielt der ehebedingte Nachteil allerdings dann doch eine Rolle. Denn dann schaut man, ob der unterhaltsbedürftige Ehegatte ohne die Ehe höhere Rentenansprüche erworben hätte. Beispiel: Das Ehepaar lebte die klassische Hausfrauenehe, die Ehefrau hat so gut wie keine eigenen Rentenansprüche erworben, weil sie die Kinder groß gezogen hat, der Ehemann hat gearbeitet und von seinem Einkommen regelmäßig Rentenbeiträge abgeführt. Hier liegt ein ehebedingter Nachteil vor, da die Ehefrau ehebedingt keine eigenen Rentenanwartschaften erworben hat. Allerdings wird hier noch zu berücksichtigen sein, daß im Rahmen des Versorgungsausgleich der Ehefrau der Ehezeitanteil der hälftigen Rentenansprüche des Ehemanns übertragen werden.
Befristung und Begrenzung des Unterhaltsanspruchs ist bei Altersehen möglich bzw. bei sehr kurzen Ehen.
Ausgeschlossen ist der Unterhaltsanspruch bei kurzer Ehedauer nach § 1579 Nr. 1 BGB. In der Regel geht man von einer kurzen Ehedauer aus, wenn die Ehe nicht länger als zwei Jahre gedauert hat, aber auch hier gibt es Ausnahmen.
Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen § 1572
Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, solange und soweit von ihm vom Zeitpunkt der Scheidung, der Beendigung der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, der Beendigung der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung oder des Wegfalls der Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch wegen Arbeitslosigkeit oder Aufstockungsunterhalt an wegen Krankheit oder anderer Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann.
Auch dieser Unterhaltstatbestand kommt also nicht nur in Betracht, wenn der Unterhalt beanspruchende Ehegatte zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung zu krank ist, um sich selbst seinen Lebensunterhalt zu verdienen, sondern auch z.B. dann, wenn die Ehe geschieden wird, als das Kind zwei Jahre alt ist und die Ehefrau dann zum dritten Geburtstag des Kindes arbeitsunfähig erkrankt. Dann wäre die Ehefrau unter Umständen schon zu einer Teilzeittätigkeit verpflichtet gewesen, aber da sie nun krank ist, muß der Ehemann trotzdem weiter zahlen.
Unterhalt wegen Krankheit kann nicht nur gefordert werden, wenn man zum Einsatzzeitpunkt, z.B. Rechtskraft der Scheidung bereits arbeitsunfähig erkrankt war, sondern auch, wenn sich in einem engen zeitlichen Zusammenhang die zum Zeitpuntk des Einsatzzeitpunktes bereits bestehende Krankheit verschlimmert. Wie eng der zeitliche Zusammenhang zu sein hat, entscheiden die Gerichte. Der Bundesgerichtshof hat einen Zeitraum von zwei Jahren nicht mehr als engen zeitlichen Zusammenhang gewertet (BGH NJW 2001, 3260).
Wann die Krankheit erstmalig auftrat, ist unerheblich, sie muß nicht im Zusammenhang mit der Ehe stehen. Der kranke Ehegatte muß seine Krankheit aber im Rahmen des Zumutbaren behandeln lassen, um seinen Unterhaltsanspruch weiterhin geltend machen zu können.
Eine zeitliche Befristung bzw. eine Begrenzung der Höhe nach ist möglich, wenn die dauerhafte Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen unbillig wäre. Unbilligkeit wird z.B. angenommen, wenn der Unterhaltsberechtigte durch die Ehe weder gesundheitliche, noch berufliche oder versorgungsrechtliche Nachteile erlitten hat und die Ehe kinderlos geblieben ist, so der BGH FamRZ 2009, 406.
Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit und Aufstockungsunterhalt gem. § 1573 BGB
Ein geschiedener Ehegatte kann Unterhalt verlangen, solange er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit findet. Das heißt aber nicht, dass man die Hände in den Schoß legen und sich darauf einrichten kann, das der geschiedene Ehegatte für einen zahlt. Nein, man muß nach der Rechtsprechung in der Regel 20 bis 30 schriftliche Bewerbungen auf ausgeschriebene Stellenanzeigen pro Monat vornehmen, um nachzuweisen, daß man keine angemessene Tätigkeit findet. Werden diese Bewerbungen nicht nachgewiesen und bestehen nach Auffassung des Gerichts dennoch reale Arbeitsmarktchancen, wird dem geschiedenen Ehegatten ein fiktives Einkommen unterstellt, welches sich der Höhe nach nach den tatsächlichen Verdienstmöglichkeiten richtet. In meiner Tätigkeit als Rechtsanwalt habe ich die Erfahrung gemacht, das es Mandanten oder auch Gegnern sehr schwer fällt, diese 30 Bewerbungen zu schreiben und auch entsprechend zu dokumentieren. Es handelt sich um eine reine Fleißaufgabe, die aber für diesen Unterhaltsanspruch zwingende Voraussetzung ist. Deswegen werde ich nicht müde, die Wichtigkeit der Bewerbungen zu betonen.
Was eine angemessene Tätigkeit ist, können Sie unten nachlesen. Denn die geschiedene Ehefrau, die früher einmal kurze Zeit als Ärztin vor der Ehe gearbeitet hat, muß nach der Scheidung keine Tätigkeit als Kassiererin im Supermarkt annehmen.
Die Arbeitslosigkeit muß auch ehebedingt sein. Denn es muß gerade auf dem Wunsch beider Ehegatten beruhen, daß der nun nach der Scheidung unterhaltsbeanspruchende Ehegatte für die Ehe seinen Beruf aufgegeben hat oder sich beruflich nicht weiter entwickelt hat. Wenn es z.B. keine Kinder in der Ehe gab und der unterhaltbeanspruchende Ehegatte trotz Aufforderung seines Ehegatten, sich eine Arbeit zu suchen, die Hände in den Schoß gelegt hat, liegt kein ehebedingter Nachteil vor.
Den Aufstockungsunterhalt habe ich oben beim Trennungsunterhalt schon angesprochen. Der Aufstockungsunterhaltsanspruch spielt in der anwaltlichen Praxis eine große Rolle. Denn in den meisten Ehen liegt ein Einkommensgefälle vor. Wenn also die Einkünfte des einen Ehegatten aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit nicht ausreichen, um den Lebensstandard nach den ehelichen Verhältnissen aufrechtzuerhalten, kann er den sogenannten Aufstockungsunterhalt beanspruchen. Es kommt also hier darauf an, wieviel beide Ehegatten während der Ehe verdient haben, man spricht von den prägenden ehelichen Lebensverhältnissen.
Es muß für den Aufstockungsunterhalt kein ehebedingter Nachteil vorliegen. Um so interessanter ist hier auch die Frage der Befristung.Entscheidend ist dann, wie lange die Ehe gedauert hat, aber auch, wie die wirtschaftlichen Verhältnisse sind und wie sich die Ehepartner im Rahmen ihres Erwerbslebens aufeinander eingestellt haben. Je länger die Ehe gedauert hat, desto länger kann auch der Unterhaltsanspruch sein. Leider gibt es keine Faustregel, jeder Fall wird vom Familienrichter einzeln entsprechend der tatsächlichen Umstände entschieden. Hier ein kleine Auswahl von Urteilen zur Unterhaltsdauer:
Bundesgerichtshof, FamRZ 2012, 272
OLG Hamm, FamRZ 2012, 983
OLG Jena, FamRZ 2010, 815
OLG Bremen, FamRZ 2009, 347
Der Unterhaltsanspruch kann auch wieder aufleben, wenn er zuvor wegen eines noch nicht nachhaltig gesicherten Arbeitsplatzes kurzzeitig nicht bestand. Der Arbeitsplatz darf aber wirklich noch nicht gesichert sein, z.B. bei einem Arbeitsverhältnis auf Probe. Als gesichert gilt ein Dauerarbeitsverhältnis. Verliert der unterhaltsbedürftige geschiedene Ehepartner seinen Arbeitsplatz wegen plötzlicher Insolvenz seines Arbeitgebers, lebt der Unterhaltsanspruch nicht wieder auf, weil der Arbeitsplatz eigentlich als gesichert galt und die Insolvenz des Arbeitgebers nicht dem unterhaltspflichtigen Ehegatten angelastet werden kann (in einem ähnlichen Fall BGH FamRZ 2003, 1734).
Wenn mein ehemaliger Frau / Mann nach dem Gesetz wieder verpflichtet ist, zu arbeiten, muß er dann jede Arbeit annehmen?
Nein, er muß nur eine angemessene Arbeit aufnehmen. Nach § 1574 Abs. 2 BGB ist eine Erwerbstätigkeit angemessen, die der Ausbildung, den Fähigkeiten, einer früheren Erwerbstätigkeit, dem Lebensalter und dem Gesundheitszustand des geschiedenen Ehepartners entspricht, soweit eine solche Tätigkeit nicht nach den ehelichen Lebensverhältnissen unbillig wäre. Hierbei ist auch die Dauer der Ehe sowie die Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes zu berücksichtigen.
Soweit es zur Aufnahme einer angemessenen Erwerbstätigkeit erforderlich ist, obliegt es dem geschiedenen Ehegatten, sich auszubilden, fortbilden oder umschulen zu lassen, wenn ein erfolgreicher Abschluss der Ausbildung zu erwarten ist.
Unterhalt wegen Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung § 1575 BGB
Ein geschiedener Ehepartner, der in Erwartung der Ehe oder während der Ehe eine Schul - oder Berufsausbildung nicht aufgenommen oder abgebrochen hat, kann von dem anderen Ehegatten Unterhalt verlangen, wenn er diese oder eine entsprechende Ausbildung sobald wie möglich aufnimmt, um eine angemessene Erwerbstätigkeit, die den Unterhalt nachhaltig sichert, zu erlangen und der erfolgreiche Abschluss der Ausbildung zu erwarten ist. Entsprechendes gilt, wenn sich der geschiedene Ehegatte fortbilden oder umschulen lässt, um Nachteile auszugleichen, die durch die Ehe eingetreten sind.
Billigkeitsunterhalt § 1576 BGB
Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, soweit und solange von ihm aus sonstigen schwerwiegenden Gründen eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann und die Versagung von Unterhalt unter Berücksichtigung der Belange beider Ehegatten grob unbillig wäre. Schwerwiegende Gründe dürfen nicht allein deswegen berücksichtigt werden, weil sie zum Scheitern der Ehe geführt haben.
Dieser Unterhaltsanspruch spielt in der Praxis einer Rechtsanwaltskanzlei kaum eine Rolle. Es handelt sich um einen Auffangtatbestand, der nur dann greift, wenn die oben genannten Tatbestände alle nicht in Frage kommen, und der sehr streng anzuwenden ist.
Beispiel:
Die Eheleute haben während der Ehe ein Pflegekind auf Dauer gemeinschaftlich aufgenommen, welches auch nach der Scheidung betreuungsbedürftig ist. Dann handelt es sich zwar nicht um ein eigenes gemeinsames Kind, so daß § 1570 BGB nicht anwendbar ist, aber der Ehegatte, der das Pflegekind weiterhin betreut, kann auch nicht arbeiten und hat deswegen einen Unterhaltsanspruch (BGH NJW 1984, 1538).